Vom Werden und Reifen
- LXIR

- 8. Aug.
- 3 Min. Lesezeit

Der Kreislauf des Großen Werkes – und auch der kleineren Werke – ist ein faszinierendes Sinnbild, sowohl für die praktische Arbeit in der Alchemie als auch für die philosophische Betrachtung.
Darstellungen der drei Phasen ziehen sich durch die Bilderwelten alchemistischer Schriften aller Epochen. Tatsächlich handelt es sich um einen Prozess, den wir in diesem Artikel näher beleuchten wollen.
Blicken wir in die Natur, begegnet uns sogleich ein oft übersehenes Paradoxon: Der Beginn eines alchemistischen Prozesses kann nur durch ein äußeres Potenzial eingeleitet werden – ein Potenzial, das selbst wiederum das Ergebnis eines solchen Prozesses sein muss. Wir stehen also vor dem klassischen Henne-Ei-Problem: Was war zuerst – der erste Same oder die erste Frucht? Und woher kam diese?
Lassen wir diese Frage fürs Erste unbeantwortet und wenden wir uns der Beobachtung des natürlichen Zyklus einer Pflanze zu.
Alles beginnt in der Dunkelheit der Erde – dort, wo der Same des Lebens gelegt wird. Anwesend ist einzig das nährende Potenzial der Erde, das innere Feuer der Lebenskraft und die klaren Gesetze des Merkur, die in der DNA der Pflanze wirken. Dies entspricht dem Zustand des Nigredo – der schwarzen Phase, dem Beginn des alchemistischen Werkes.
Sobald das Leben aus der Erde hervorsprießt, zeigen sich vielfältige Farben – insbesondere das lebendige Grün der Pflanze. Dieser Prozess findet seinen vorläufigen Höhepunkt in der oft strahlend weißen Reinheit der Blüten. Dies ist der Zustand des Albedo – der ersten Vollendung, der Reinigung, der Klarheit.
Doch in dieser pflanzlichen Allegorie liegt ein weiteres Geheimnis verborgen: Um neues Leben hervorzubringen, muss dieser weiße Zustand durch eine feurige Kraft belebt werden. Es braucht das sogenannte geheime Feuer der Alchemisten – den lebendigen Samen, das befruchtende Prinzip. Erst wenn dieses hinzutritt, kann die Pflanze Früchte tragen und damit die wesentliche Quintessenz ihres Wesens hervorbringen.
Diese Frucht hier im Sinne der Allegorie als roter Apfel, rote Kirsche oder rote Pflaume gedacht, symbolisiert die Vollendung des Rubedo, die Phase der Reife, Erfüllung und Transformation. Erst in diesem Zustand besitzt das Werk die Kraft, sich selbst zu vervielfältigen und aus toter Erde Bäume seines eigenen Wesens hervorzubringen. Quasi die Transmutation toter Erde zu Lebender Pflanzenpracht.
Natürlich ist diese Beobachtung eine symbolische Annäherung, ein Gleichnis für das Große Werk. Doch wir erkennen, dass die Prinzipien der Alchemie überall in der Natur wirken. Eine bewusste Naturschau erlaubt uns, tiefer zu blicken – und mehr zu erkennen.
Denn eine weitere Übertragung mag dem aufmerksamen Leser ins Auge fallen:.
Die drei alchemistischen Zustände entsprechen den drei Entwicklungsphasen der menschlichen Persönlichkeit:
Das unreife, triebhafte Selbst, das in den niedrigeren Aspekten des Lebens verhaftet ist.
Das sich reflektierende, reinigende Selbst, dass nach und nach seinen Charakter und sein Leben reinigt, bis es weiß geworden ist
Das vollendete Selbst, das im Einklang mit den höheren Gesetzen lebt – und dadurch fähig wird, andere zu erheben und Transmutation auszulösen.

Diese drei Phasen spiegeln den inneren Prozess der Persönlichkeitsentwicklung wider – und zugleich den Zyklus des alchemistischen Werkes. Weiterhin zeigt das Bild eines arabischen Alchemie Werkes aus dem 10 Jahrhundert, sehr schön den Widerstreit der Teilentwicklungen. Während das schwarze Selbst anklagend und forsch wirkt, zeigt das rote selbst Mitgefühl und Verständnis. Während der Mensch im Schwarzen voller Projektionen, Lästerungen und Anklagen ist, hat der Mensch im Roten alles integriert und in sich selbst die Fehler erkannt durchlaufen und verwandelt zu großen Fähigkeiten.
Es wird nun verständlich, warum die alten Meister glaubten, dass nur ein innerlich gereifter Mensch in der Lage sei, den Stein der Weisen hervorzubringen. Denn nur wer in sich selbst das geheime Feuer erkannt hat, wird es auch in der Welt finden können – und damit den Schlüssel zum Stein, zum großen Werk in seinen Händen halten.



Ein Wahnsinnstext mit soviel wertvollem Wissen, was keine Suchmaschine und sprach-KI mit den bots je gesehen hat. Schreibt ein Buch, wie geht weiter ?